Der Winter naht – Depressionen zum Mitnehmen

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Der Winter naht – Depressionen zum Mitnehmen

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Ja der Winter naht. Was klingt wie eine neue Folge der Game of Thrones- Serie, ist leider bittere Realität. Die Sonne verschwindet immer öfter, der Nebel und die Wolken übernehmen die Kontrolle. Was das bedeutet wissen einige vermutlich: die Winterdepressionen sind im Anmarsch.

Ich bin zwar auf Medikamente momentan gut eingestellt und nehme jeden Morgen Antidepressiva, allerdings machen sie sich auch bei mir trotzdem bemerkbar. Langsam, schleichend, von Hinten, wie so oft. Dann sitze ich da und kann wieder einmal einfach nur hoffen, dass der Tag schnell vorbei ist und ich mich mit irgendeiner Serie oder einem Film aus der Welt schießen kann. Einfach weg. Manchmal bin ich auch wieder so müde, dass ich bei den Jungs im Bett einfach einschlafe. Je nach Tagesverfassung schaffe ich aber, Dank der Medikamente und der monatelangen Übung und Beschäftigung mit mir selbst, den Alltag ganz gut.

Um auf andere Gedanken zu kommen versuche ich jetzt wieder täglich mit den Hunden spazieren zu gehen. In der Natur bekommt der Körper neue Energie, eine andere Schwingung, so heißt es. Doch oft schaffe ich es einfach nicht. Ich bin dann so müde, dass ich mich einfach nur hinlegen und schlafen kann, sonst würde ich den Tag nicht heil überstehen. Wenn ich doch die Kraft finde gehe ich meistens in den Wald neben dem Haus, so wie heute wieder. Ich merke dass er sich immer mehr verändert. Immer mehr umgefallene Bäume, Erde, Schlamm. Ich muss aufpassen dass ich nicht ausrutsche oder versinke.

Eigentlich gehe ich nicht gerne in diesen Wald. In gar keinen wenn ich ehrlich bin. Ich habe vor allem wenn es dunkel ist absolute Panik davor. In unseren gehe ich noch weniger gerne, So schön er sein kann im Sommer, so „scary as hell“, ist er auch. Es ist die Art von Wald, in dem, wenn mich einer entführen und vergraben würde, man mich nie wieder finden würde, geschweige denn mich jemand rufen hören würde. Trotzdem ist er meine erste Wahl, denn sonst müsste ich ins Auto steigen um irgendwo raus zu kommen und das ist momentan viel zu viel Arbeit für mich.

Heute war ich schon vorher mit den Hunden spazieren, denn wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle dass ich wohl von hier nicht mehr aufstehe bis zumindest zweimal der Wecker geläutet hat und ich gerade noch rechtzeitig komme um den Kleinen aus dem Kindergarten abzuholen. Jaja mein Laptop, mein Freund und Begleiter. Er ist ein Fluch und ein Segen, wie so vieles in meinem Leben. Einmal davor fällt es mir schwer einfach wieder abzudrehen, zu verlockend sind die tausenden fiktiven Welten auf verschiedensten Streaming Plattformen.

Mein Vater meinte erst letztens: „Was du Depressionen nennst, nennen wir einen schlechten Tag.“ Nehmt es ihm nicht übel, er hat einfach keine Ahnung. Auch wenn ich seit ca. 15 Jahren Depressionen habe, weiß er es einfach nicht besser. Die Gründe dafür werde ich euch irgendwann in einem anderen Kapitel erklären, in einem, vor dem ich mich immer noch gekonnt drücke. Ich habe das natürlich sofort verneint, ihn gleichzeitig ein bisschen dafür beneidet, dass er es einfach nicht besser weiß, weil er es eben noch nie erlebt hat. Was muss dass für ein angenehmes Leben sein, so ganz ohne Depressionen.

Aber noch einmal deutlich: NEIN liebe Leute, Depressionen sind NICHT einfach nur schlechte Tage. Glaubt mir, wenn ihr Depressionen hättet, würdet ihr euch wünschen einfach nur einen schlechten Tag zu haben. Es ist die Art von Krankheit, die man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünscht. Denn ja, es ist eine Krankheit und ja sie gehört behandelt. Auch wenn die psychischen Krankheiten bei uns immer noch tot geschwiegen oder nicht als solche gesehen werden, es sind Krankheiten. Doch um Hilfe zu bekommen, müsste man sich zuerst eingestehen, dass man eine braucht und zweitens darum bitten. Zwei Dinge, die man bei Depressionen prinzipiell überhaupt nicht tut. Reden generell, eine Anstrengungsaufwand sondergleichen.

Ich verstehe das. Ich kenne es ja selber. Man würde sich lieber über irgendeine Klippe stürzen als mit jemandem darüber zu reden. Abgesehen davon gibt es leider nicht immer Leute, die verstehen wie es einem geht. Es wird dann einem erklärt, dass man sich eben zusammen nehmen soll, dass es nicht so schlimm sein kann. Man bekommt vorgeworfen, dass man sich ja die ganze Woche um die Kinder und den Haushalt gekümmert hat, wieso kann man es also nicht auch am Wochenende, wenn man bei den Eltern auf Besuch ist. Warum muss man sich dann hinlegen und schlafen. Jeder hat doch einmal einen schlechten Tag, trotzdem kann sich dann nicht jeder einfach hinlegen oder einfach nichts tun. Man muss doch gefälligst funktionieren. Das kann doch wohl nicht so schwer sein.

Jaja, ich kenne sie alle, die Standardsätze, habe sie alle zu hören bekommen, über die Jahre. Und doch, nein es ist weder einfach noch geht es. Man funktioniert, ja, aber das ist auch gerade eben das richtige Wort dafür. Man lebt nicht mehr, man funktioniert nur noch, wenn es unbedingt sein muss, mit letzter Kraft. Man ist eine wandelnde Hülle, gefüllt mit Trauer, Müdigkeit und Schuldgefühlen. Man weiß nicht warum man sich so fühlt, man kann es sich selbst nicht erklären. Man sucht nach Antworten und findet doch keine.

Der tausend Kilo schwere Stein auf der Brust nimmt einem den Atem. Man bekommt keine Luft, das Schlucken fällt schwer. Die Gedanken drehen sich im Kreis, wie ein nie endendes Ringelspiel. Sorgen, Ängste, Probleme, die in Wirklichkeit gar nicht da sind, werden zur bitteren Realität. Wie manche Dinge funktionieren, weiß man plötzlich nicht mehr. Wie ging nochmal eine Schlaufe binden? Wie entsperrt man das Handy? Und was wollte man gerade eigentlich im Kinderzimmer? Wo hatte man nochmal das Besteck hingelegt? Man fängt an zu denken, dass man Demenz bekommen hat, doch in Wahrheit beginnt das Gehirn irgendwann einfach abzuschalten. Der Stromkreis ist schlichtweg überlastet.

Wer jetzt noch aufrecht steht und nicht in Tränen ausbricht, wenn er zum Beispiel das Kind in der Früh anziehen muss, ist vermutlich ein Überlebenskünstler. Von dem die Kids in die Schule oder den Kindergarten bringen, brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Eine fast unüberwindbare Herausforderung. Zum Duschen hat man keine Kraft, das kann man dann auch morgen. Doch morgen ist es auch nicht besser und man schiebt es wieder weiter hinaus. Wer es in dieser Phase schafft öfter als einmal die Woche zu Duschen, Hut ab.

Essen kocht dann meistens die Mikrowelle oder der Backofen. Immerhin bekommen die Kinder irgendetwas zu essen. Wäre man alleine würde man vermutlich sogar das lassen. Wer braucht schon essen, oder normales Gewand. Ja das ist dann auch so eine Sache. Weiter als zu einer Jogginghose reicht meistens der Kraft nicht aus. Nackt kann man dann ja schließlich auch nicht gehen. Außerdem kann man die Hose ja dann gleich anlassen, die nächsten drei oder vier Tage und Nächte. Zeit ist in diesen Situationen sowieso relativ. Die Tage scheinen nie enden zu wollen und die Nächte dauern eine Ewigkeit, denn Schlafen wird zur Seltenheit. Nicht weil man nicht müde wäre, nein, das ist Dauerzustand, sondern weil einem die Gedanken nicht schlafen lassen. Aus Mäusen müssen Elefanten gemacht werden, die so echt erscheinen wie die eigene Hand vor Augen und wann geht das schon besser, als in der Nacht, wenn alle anderen schlafen. Das Gefühl, wie wenn einem eine Kolone an Panzern überfahren hätte, wird zur Tagesverfassung.

Und dann sind da ja auch noch die Schuldgefühle. Ich denke spätestens hier ist jeder an dem Punkt angekommen, an dem es keinen Ausweg mehr gibt. Denn sie kommen. Anfangs sind es vielleicht noch kleine kurze Schübe, wie Wellen, die am Strand auf den Sand treffen. Doch mit der Dauer der Depressionen und der Unfähigkeit seinen Alltag hinzubekommen, werden diese Schübe länger und stärker. Wie Hohe Wellen, die bei einem Sturm mitten am Meer gegen das kleine zerbrechliche Boot knallen, zersplittern sie immer mehr das Deck. Man weiß dass man mehr machen sollte. Man weiß dass man sich viel zu sehr gehen lässt. Man weiß dass man das Haus nur mehr verlässt wenn es gar keine andere Möglichkeit gibt. Man weiß, dass man sich besser um die Haustiere kümmern sollte. Man weiß, dass man sich mehr mit den Kindern beschäftigen sollte. Man weiß dass alles und noch viel mehr, trotzdem geht es einfach nicht.

Die Kraft, die Nerven, der freie Willen unterliegen der Depression. Jeglicher Versuch sie zu überwinden scheitert kläglich, verbraucht nur noch mehr, der ohnehin schon mangelnden Energie. Man ertrinkt in seinen eigenen Gefühlen und den unzähligen Tränen, die Tag für Tag fließen, oft auch aus Hilflosigkeit. Man erfriert im eigenen Körper. Man hasst sich selbst, man hasst das Leben. Man will dass es einfach nur aufhört, dieses Gefühl der Leere, des Todes, egal wie. Man denkt darüber nach, wie es sein würde, wenn man sich einfach nur vor das nächste Auto werfen würde. Auch der Gedanke auf der Autobahn in die Leitplanke, die ohnehin schon den eigenen Namen schreit, zu fahren oder gegen den nächsten Lastwagen zu knallen, wird immer schmackhafter. Es würde zwar keine Probleme lösen, aber es wäre wenigstens vorbei. Man müsste sich wenigstens nicht mehr so fühlen, wie man sich gerade fühlt.

Aber wie fühlt man sich eigentlich? Ich denke dass ist genauso schwer zu beschreiben, wie Wehen bei einer Geburt. Die, die es noch nie erlebt haben können sich nach einer Erklärung vielleicht etwas darunter vorstellen, aber sie haben keine Ahnung wie es sich wirklich anfühlt. Prinzipiell gilt auch hier, mindestens tausend mal so schlimm wie es sich anhört.

Ich habe für diejenigen unter euch, die noch nie Depressionen hatten, ein bisschen zu erklären versucht wie es ist. Vielleicht habt ihr jetzt eine wage Ahnung. Selbst wenn nicht, habt bitte Verständnis für diejenigen unter uns, die Depressionen haben. Seit einfach da für uns, ohne uns zu verurteilen oder groß Fragen zu stellen. Wir wissen dass wir kaputt sind und wir haben selbst keine Antwort auf eure Fragen. Versucht uns einfach zu unterstützen, wenn ihr seht wie wir straucheln und Hilfe brauchen, auch wenn wir das niemals zugeben würden. Wir sind selbst unsere Größten Kritiker und unser Gehirn macht uns sowieso schon unser Leben zur Hölle. Wir geben wirklich jeden Tag unser Bestes, das könnt ihr euch sicher sein. Oft reicht das schlicht und einfach in diesen Situationen trotzdem nicht. Verzeiht uns.

Denjenigen unter euch, die das Gefühl kennen, die selbst Depressionen hatten oder immer noch habe, denk daran, ihr seit nicht alleine. Denkt daran, dass es schwer ist momentan, doch dass es irgendwann wieder vorbei gehen wird. Mit Sicherheit nicht heute und wahrscheinlich nicht morgen, vermutlich auch nicht nächste Woche, aber irgendwann ist es vorbei. Irgendwann könnt ihr wieder frei atmen und, ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster, vielleicht sogar wieder lachen. Ich weiß, es scheint momentan unmöglich und die Zeit unendlich, doch habt bitte Hoffnung und macht euch das Leben selber nicht zu schwer. Ihr müsst nicht immer funktionieren. Es ist okay auch einmal nicht mehr zu können. Es ist okay wenn ihr nicht alles schafft, was ihr tun solltet. Schaut auf euch. Schaut auf euren Körper. Tut Dinge, die euch gut tun, auch wenn sie nur wenig Linderung bringen. Ihr seit wichtig. Euer Wohl ist am Wichtigsten. Euer Leben ist der Wertvollste was ihr habt, also verschwendet es nicht, auch wenn die Situation noch so ausweglos erscheint. Irgendwann kommt die Sonne wieder, versprochen!

2 Antworten

  1. […] Gedanken, weiß ich allerdings auch nicht. Ich denke sie sind vielleicht eine Nebenerscheinung der Depressionen. Dieses Gedanke, dass alles dann einfach vorbei ist, wenn man nur kurz nachgibt, er hat einen […]

  2. […] Ich muss mich wie jedes Jahr im Dezember mit meinem Kopf und meinen Gefühlen herumschlagen, Winterdepressionen fragen eben nicht ob es gerade passt, sie stehen einfach vor der Tür. Es ist nicht so schlimm wie […]

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