Freiheit. Kleines Wort, große Bedeutung
Heute bin ich auf der Terrasse gesessen, am späten Nachmittag. Ohne Handy, ohne Beschäftigung, ohne Ablenkung. Ich bin einfach nur dagesessen und habe in den Himmel geschaut. Während ab und zu eine Wolke vorbeigezogen ist, habe ich den Bäumen zugeschaut, wie sie sich leise mit dem Wind bewegt haben. Die Sonne war schon hinter dem Haus, sodass mir im Schatten die leichte Brise etwas Abkühlung gebracht hat. Lange bin ich dagesessen, einfach so, ohne nachzudenken. Habe einfach den Moment genossen.
Das konnte ich schon lange nicht mehr. Nicht weil ich nicht wollte, sondern weil mir mein Kopf keine Ruhe gelassen hatte. Immer wieder und wieder hatte er Fragen und Vorwürfe, Mitleid und Ängste herbeigerufen. Das Chaos war unerträglich gewesen, hatte mich zu Boden gezwungen, in ein tiefes, tiefes Loch gezogen. Doch die Medikamente sprechen endlich langsam an. Ich kann meistens wieder klar denken. Habe wieder einen eigenen Willen. Ich kann mich motivieren oder zumindest aufraffen den Haushalt zu erledigen oder anfangen die Dinge zu tun, die ich seit Monaten aufgeschoben hatte, weil mir einfach die Kraft und Energie dazu gefehlt haben.
Ich habe zwei Bussarde beobachtet, wie sie über dem Wald vorm Haus ihre Kreise gezogen haben. Elegant, majestätisch, leicht, frei. Frei. „Ich beneide sie um ihre Freiheit.“, habe ich gedacht. Freiheit. Freiheit. Frei-heit. Was bedeutet das Wort überhaupt? Freiheit. Und inwiefern frei? Frei wovon? Frei wofür? Und wer ist frei? Wann ist man frei? Ist man frei wenn man Single ist? Oder wenn man dahin gehen kann, wohin man will? Oder wenn man genug Geld hat um zu tun was man möchte? Aber das wäre ja dann doch eher alles Unabhängigkeit und nicht Freiheit? Oder sind Unabhängigkeit und Freiheit das Selbe?
Ich habe angefangen zu googeln. Wikipedia sagt: „ Freiheit wird in der Regel als die Möglichkeit verstanden, ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen und entscheiden zu können.“ Bei der Suche der Definition für Unabhängigkeit, wird es schwieriger. Es gibt viele Formen davon, wie es scheint. „Ein Zustand, bei dem etwas oder jemand von etwas anderem oder jemand anderen nicht beeinflusst wird.“, ist das, was meistens über Unabhängigkeit geschrieben wird, im guten World Wide Web.
Das Wissen über die Bedeutungen hat mich jetzt aber auch nicht weiter gebracht. Nicht wirklich. Es klingt für mich doch irgendwie, wie das Gleiche. Als ob das Eine nicht ohne das Andere ginge. Aber vielleicht ist das auch nur eine Ansichtssache, so wie alles hier. Vielleicht hat Freiheit für jeden eine andere Bedeutung. Für den einen bedeutet Freiheit, vor die Tür zu gehen ohne Angst haben zu müssen, dass er verfolgt und eingesperrt oder sogar getötet wird. Ein anderer fühlt sich frei, weil er am Wochenende die Zeit hat, etwas mit seinen Freunden zu unternehmen. Für Eltern bedeutet Freiheit zum Beispiel, zumindest war das bei mir so, ohne die Kinder einkaufen gehen zu können. Ja, einkaufen gehen ohne Kinder, etwas Tolles!
Ich bin abgeschweift.
Während die zwei Bussarde noch immer über mir ihre Kreise gezogen haben, habe ich angefangen darüber nachzudenken was für mich Freiheit bedeutet. Wieso beneide ich sie um ihre andauernde Freiheit? Wieso fühle ich mich in diesem Moment, in dem nichts passiert, genauso frei wie sie? Ich habe realisiert, dass es sehr sehr lange her ist, dass ich mich gefühlt habe, wie in diesem Moment. Unbekümmert, glücklich, frei. Die Gedanken klar, die unzähligen Stimmen im Kopf verstummt. Diese Stille. Ach diese Stille, würde sie nur für immer bleiben, was würde ich alles dafür geben.
In diesem Moment wird mir klar, was für mich das Wort bedeutet. Freiheit. Die Freiheit emotional nicht an Menschen oder Dinge gebunden zu sein. Sich keine Gedanken machen zu müssen. Einfach jeden Moment genießen zu können. Unbeschwert und glücklich im Hier und Jetzt, in Frieden mit dem Leben und sich selbst, leben zu können. Wie diese Bussarde die Leichtigkeit zu haben, unabhängig von allem was unter ihnen passiert. Ja, das ist für mich Freiheit. Um das beneide ich sie, vor allem weil ich weiß, dass ich vermutlich ,aufgrund meiner Erkrankung, diese Freiheit nie ganz haben werde. Vielleicht für Augenblicke, wie diesen, aber sie wird nicht andauern. Aber damit muss ich mich wohl abfinden. Oder nicht? Hat es Sinn um diese Freiheit zu kämpfen? Könnte ich jemals entgegen aller Prognosen doch gewinnen?
Ich habe beschlossen mir keine Gedanken darüber zu machen. Nicht in naher Zukunft. Ich muss zuerst einmal wieder auf die Beine kommen, denn ich bin zwar über den Berg, fürs erste, aber noch lange nicht da wo ich sein sollte. Um die Beantwortung auf diese Fragen kann ich mich auch später noch kümmern.
Ich habe mich zurück gelehnt und einfach den Moment genossen, das Gefühl gespürt, versucht es mir einzuprägen, denn wer weiß wann ich es das nächste Mal erleben werde. Bis dahin werde ich versuchen sie in mir zu behalten um sie Kleinweise aufzubrauchen, diese Freiheit. Freiheit, ein so kleines Wort und doch so eine gigantische Bedeutung. Freiheit.
2 Antworten
[…] Ich war ein wandelndes Frack, das funktionierte um seine Kinder, ja ich habe Kinder, am Leben zu erhalten und ihnen das bestmögliche Leben zu geben, zudem ich zu der Zeit imstande war, was mich noch mehr Kraft kostete. Es gab Tage, an denen ich stolz war, wenn ich es geschafft hatte, die Kinder in den Kindergarten zu bringen und ihnen zu Mittag etwas Schnelles zu kochen oder eine Pizza in den Ofen zu schmeißen, ohne einen Nervenzusammenbruch zu bekommen. Alles was ich an diesen Tagen mehr schaffte, war schon ein kleines Wunder, von dem ich meistens keine Ahnung hatte, wie ich das doch noch bewältigt haben konnte. Dazu kamen Selbstmordgedanken, die immer schon Sinn ergeben hatten. Sie waren einfach komplett logisch. Dann musste ich das zerstörende, bedrückende, einengende Gefühl von absoluter Traurigkeit und Leerheit nicht mehr haben. Dann würde der ca 1000 kg schwere Stein auf meiner Brust einfach verschwinden und ich wäre frei. […]
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